BERIEV A-50 (MAINSTAY)
Wie die US-amerikanischen Streitkräfte verfügten auch die sowjetischen Luftstreitkräfte (VVS) bereits früh über eine luftgestützte Luftraumaufklärung und -überwachung mittels Radar mit dem Ziel der Früherkennung und Vorwarnung. Aus der zivilen Passagiermaschine Tupolev TU-114 wurde 1958 die fliegende Radarplattform TU-126 (NATO-Code MOSS) entwickelt, die von 1965 bis 1984 im Einsatz war, aber keine befriedigende Leistung erbrachte.
Ab 1969 gab es erste Planungen,
die MOSS durch ein anderes, moderneres System zu ersetzen. Das
beauftragte Konstruktionsbüro Beriev entwickelte auf Basis des vierstrahligen
Militärtransportflugzeuges
Ilyushin IL-76 (NATO-Code CANDID)
ein Nachfolgesystem der MOSS als multifunktionales AWACS (= Airborne Warning and Control System = Luftgestütztes
Frühwarn- und Leitsystem bzw. ein (russisch) DRLOiU (ДРЛОиУ = Самолет дальнего
радиолокационного обнаружения и управления = Flugzeug für weitreichende
Radaraufklärung und Leitung/Führung).
Im Flugzeugwerk in Taganrog wurde schließlich eine IL-76 zur ersten A-50
(NATO-Code MAINSTAY) umgebaut, die am 19.12.1978 ihren Erstflug absolvierte und
1979 an die VVS für Truppenversuche ausgeliefert
wurde. Neben diversen zusätzlichen Antennen und Antennenverkleidungen ist das
auffälligstes Merkmal der A-50 das auf zwei Pylonen über dem Rumpf
installierte rotierende Radom mit einem Durchmesser von neun Metern, in der die
Antenne des leistungsfähigen Radargerätes SHMEL (Hummel) von NPO "VEGA"
untergebracht ist.
Der Gesamtkomplex SHMEL besteht aus folgenden Komponenten
360°- 3D-Radar mit passiver Zielortungsmöglichkeit,
Zielerfassungs-, Informationsverarbeitungs- und Darstellungssysteme,
rechnergestützte Jägerleitsysteme,
Freund-Feind-Erkennungssystem (IFF),
Fernmelde- und Kommunikationssysteme zur Führung und Leitung,
Verschlüsselungssysteme,
Datenübertragungseinrichtungen.
Die Erfassungsreichweite tief
fliegender Ziele beträgt 200 - 400 km, die von hoch fliegenden Zielen liegt bei
300 - 600 km. Die ersten Versionen konnten 50 - 60 Ziele gleichzeitig
verarbeiten. Umfangreiche Fernmelde-, Kommunikations- und
Datenübertragungstechniken incl. Satellitenverbindungen zeichnen das komplexe
System aus.
Eine Besatzung umfasste 15 Personen; zwei Piloten, Flugingenieur, Navigator,
Funker, sowie zehn Bediener (Radaroffiziere, Offiziere für die Gegenmaßnahmen
(ECM) und Fernmeldeverbindungsoffiziere).
Erst im Juni 1984 wurde der 67.
Selbständigen Fliegenden Staffel (67. OAE) auf dem litauischen Militärflugplatz
Šiauliai (dt. Schaulen), die schon die MOSS im Bestand hatte,
die erste MAINSTAY zugeführt. Die 67.OAE wurde im Oktober 1988 in das neue
144. Selbständiges Geschwader für weitreichende Radar-Aufklärung (144.OAPDRLO)
umstrukturiert. Politische Gründe führten schon ein Jahr später, am 05.10.1989,
zur Verlegung des 144.OAPDRLO mit den schon im Bestand befindlichen A-50 nach
Pechora-Kamenka.
In
Vitebsk-Nordost (ab 1986) sowie in
Ukurey gab es auch noch zwei kleine Detachments mit jeweils (vermutlich)
zwei A-50 und einer Il-76; in Vitebsk war bis 1992 das
339.Transportfliegergeschwader der VTA (339. VTAP) mit IL-76 und in Ukurey das
192. Selbständige Gardetransportfliegergeschwader der VTA (102. OGvVTAP)
stationiert, beide
mit IL-76 ausgerüstet.
Heute sind alle A-50 auf der 2457. ABPSDRO (Einsatzbasis für Kampfeinsätze der Frühwarnflugzeuge) in Ivanovo-Nord zusammengezogen (Stand 2012).
Der erste Einsatz einer A-50 MAINSTAY
im vorderen Raum des Warschauer Paktes fand im Sommer 1984 über der DDR statt.
Diese Maschine kam aber nicht aus Šiauliai, sondern vom 8.
Staatlich-Wissenschaftlichen Testinstitut der Luftstreitkräfte (8. GNII VVS) in
Akhtubinsk (Vladimirovka).
Bei diesem Einsatz, der die Fähigkeiten des Systems demonstrieren sollte,
wurde der Luftraum überwacht, Luftlagedaten per Downlink an eine Bodeneingangsstelle der GSTD-Luftstreitkräfte übertragen und auch Abfangjäger der GSTD
vom Typ
Mikoyan-Gurevich MiG-23 FLOGGER geführt.
Möglicherweise wurden die durch die MAINSTAY gewonnenen Luftlagedaten auch über eine Schnittstelle in das Netzwerk des Automatisierten Führungssystems der Luftverteidigung (ASU / AFLS) der GSTD link eingespeist.
Im Laufe der Jahre wurden
mehrfach Einsätze einer A-50 über der DDR festgestellt, auch mit Zwischenlandungen;
so z.B. am 10.03.1988 auf dem GSTD-Flugplatz
Falkenberg (Alt Lönnewitz). Der Einsatzraum ("Orbit") hatte die Form einer liegenden "Acht",
die Einsatzhöhe lag zwischen 8.000 und 10.000 m.
Beobachtet wurde die MAINSTAY in der
DDR u.a. auch von der
US-amerikanischen Militärverbindungsmission (USMLM) bzw. der Britischen
Militärverbindungsmission (BRIXMIS), so in einem "Orbit" über der nördlichen DDR
bzw. beim Landeanflug auf Falkenberg.
Mögliche Arbeitszonen ("Orbits") der A-50 MAINSTAY über der DDR: für google earth herunterladen (Ortsangaben ohne Gewähr):
Erste Fotos einer A-50 MAINSTAY wurden erst Ende 1987 veröffentlicht. Einer P-3B Orion von der 333. Staffel der Königlich Norwegischen Luftstreitkräfte aus Andoya gelang es, am 04.12.1987 während eines Aufklärungsfluges über der Barentssee eine A-50 zu fotografieren, die jedoch keine Kennzeichen (Bordnummer) trug. |
Eine am 04.10.1989 einberufene außerplanmäßige Besprechung im Hauptstab der Luftverteidigung (LV) der Streitkräfte der UdSSR zum System A-50 hatte vermutlich ein zukünftiges Einsatzkonzept der A-50 im System der LV zum Thema, da die politische Wende kurz bevor stand, als deren Folge bekanntlich die russischen Streitkräfte aus Deutschland, Polen, Ungarn sowie der heutigen Tschechischen und der Slowakischen Republik abgezogen wurden.
Die A-50 MAINSTAY wurde im Laufe der Jahre konsequent weiterentwickelt, modernisiert und befindet sich immer noch im Einsatz; einige der ersten Maschinen stehen heute jedoch abgestellt bei der Beriev Aircraft Company (TANTK Beriev) in Taganrog, z.B. die erste A-50 (Bordnummer "10", Werknummer 073409243 link )
Eine (modernisierte) A-50 im Einsatz.
Quellen (u.a.):