Sukhoi SU-22M4 (NATO-Code FITTER K)
Die Luftstreitkräfte (LSK) der NVA hatten im Rahmen des DHS der Funktechnischen Aufklärung wöchentlich einen Einsatz zur funktechnischen Aufklärung von Objekten in den strategischen Räumen Zentraleuropas und den Ostseezugängen durchzuführen. Ab Anfang 1987 wurden dazu Flugzeuge des Typs Sukhoi SU-22M4 eingesetzt. Mit diesem Typ waren das Jagdbombergeschwader 77 (JBG-77) "Gebhard Leberecht von Blücher" und das Marinefliegergeschwader 28 (MFG-28) "Paul Wieczorek" in Laage ausgerüstet. Jedem Geschwader standen zur Luftbild- sowie zur funktechnischen Aufklärung sechs Aufklärungsbehälter KKR-1T zur Verfügung. Schwerpunkt lag dabei auf der Funktechnischen (Elektronischen) Aufklärung.Im Wesentlichen wurden zwei
Strecken geflogen ("Nord"- und "Südstrecke"),
im Norden über der Ostsee, um Ziele in Norddeutschland, Dänemark, Schweden und
Norwegen aufzuklären bzw. entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze (etwa
Schwerin - Stendal - Erfurt - bis Chemnitz). Die Flughöhen lagen standardmäßig
bei 6.100, 7.300 m oder 7.900 m, konnten aber auch darunter bzw. bis zu 18.000 m
(über See) reichen. Anfangs flogen beide Geschwader beide Strecken, später wurde die
Nordstrecke nur vom MFG-28, die Südstrecke vom JBG-77 geflogen.
Abweichungen von den Strecken bzw. Zonenflüge/Kreise waren möglich.
Während der Einsätze wurde auch Funkverbindung mit Jägerleitstellungen (GCI = Ground Controlled Intercept)
der NVA aufgenommen, z.B. bei der Funktechnischen
Kompanie FuTK 612 in
Wusterwitz oder beim gemeinsamen Gefechtstand (gGS) bei der Funktechnischen
Abteilung (FuTA) 4301 in
Rövershagen.
die Flugstrecken Nord
und Süd als Pfad für google earth herunterladen: (Ortsangaben
ohne Gewähr)
Die Südstrecke entsprach in etwa Teilen den
Flugstrecken der AN-26 DISKANT des TG-24 (Dresden-Klotzsche) bzw. Aufklärungsstrecken der Aufklärungsfliegerkräfte der Westgruppe der Truppen
(WGT), wie der
Ilyushin IL-20 (COOT A) der
39. ORAO (Sperenberg)
link, der
Sukhoi SU-17M3R (FITTER H) des 294. ORAP (Allstedt)
link,
der Sukhoi SU-24MR (FENCER E) des 11.ORAP (Welzow)
link, der
Mikoyan-Gurevich MiG-25RB (FOXBAT B/D) des 931.
OgvRAP (Werneuchen)
link, der
MiG-25RB des 164. OgvRAP (Brzeg) der Nordgruppe der
Truppen (NGT) in Polen oder anderer Aufklärungsfliegerkräfte des WP.
Die Aufklärungstiefe war bedingt durch die Einsatzflughöhe. Über der Ostsee reichte sie teilweise bis an die Nordgrenze Dänemarks, auf der Landroute bis nach Ost-Frankreich hinein . Der NATO waren diese Flüge aufgrund der eigenen Aufklärung nicht unbekannt.
Für die Einsätze waren die Flugzeuge in
folgender Konfiguration bestückt:
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![]() |
youtube-Video von
Oberstleutnant/Fregattenkapitän a.D. Hannes Mallwitz: Vorbereitung KKR-1T
(Nr. 3602007) und
SPS-141 an der SU-2M4 "380" link
Aufklärungsbehälter KKR-1T (KONTAINER KOMPLEKSNOY RAZVEDKI) >>контейнер комплексной разведки ККР-1/Т <<
Der KKR-1T ist ein kombinierter Behälter für die Erstellung von Luftbildaufnahmen und für Funktechnische (Elektronische) Aufklärung. Der vordere Teil enthält den Luftbildkomplex mit
In dem dahinter liegenden mittleren Teil (KDF-38) befinden sich die Leuchtmittelsätze (Blitzlichtkartuschen). Im hinteren Teil schließt sich der Funktechnische Aufklärungskomplex SRS-13 "TANGAZH" an.Ein Behälter vom Typ
KKR-1/2, wie er auch bei den
SU-17M3R des 294.ORAP
in Allstedt zum Einsatz kam, befand sich nicht im Bestand der NVA. |
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![]() ![]() Lukenplan KKR-1T |
KKR-1T von vorn |
![]() ![]() Plan Bedienpulte/Bildzähler |
a) Sektion Luftbildaufklärung:
![]() ![]() AFA-39 (links im KKR-1T, rechts ausgebaut) |
![]() AFA-39 von unten mit abgedecktem Objektiv |
![]() ![]() AFA-39 - technische Daten |
Die Standardkamera AFA-39
ist schräg oder senkrecht eingebaut.
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![]() ![]() Panoramakamera PA-1 (links im KKR-1T, rechts in Serviceposition) |
![]() PA-1 Objektive |
![]() Technische Daten PA-1 |
Die halbautomatische Panoramakamera PA-1 ist für Tageslichtaufnahmen aus Höhen von 200 - 1000m bei einer Fluggeschwindigkeit von 800 - 1000 km/h bestimmt. Das Verhältnis Flughöhe : abgebildeter Geländestreifen im rechten Winkel zur Flugrichtung beträgt 1:10.
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KKR-1T mit UA-47 (links) und PA-1(rechts) |
![]() UA-47 (linke Seite) |
![]() ![]() Technische Daten PA-1 |
Die automatische Luftbildkamera für Nachtaufnahmen UA-47 ist
eine Doppelkamera mit zwei Objektiven, der Achsen jeweils um 16° von der Vertikalen quer
zur Flugrichtung abweichen. Sie dient zur Aufnahme von zwei sich überdeckenden
Geländestreifen mit einer Breite von 1,4 x Flughöhe und einer Länge von bis zu 120 x
Flughöhe bei Blitzlicht durch Fotopatronen aus einer Flughöhe zwischen 300 und 1000 m
bei einer Fluggeschwindigkeit von 700 - 1100 km/h.
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Blende und Verschlußzeit wurden für alle Kameras am Boden entsprechend des Wetters und der Aufgabe voreingestellt. Luftbildaufklärung wurde meist zur Tarnungsüberwachung, speziell über den drei Berlin-Korridoren durchgeführt, da diese wiederum von westlichen Spezialflugzeugen auf dem Weg von/nach Berlin aufgeklärt wurden. |
b) Sektion Blitzlichtkartuschenausstossgerät:
c) Sektion Funktechnische Aufklärung:
Mit dem Empfangssystem für die Funktechnische (Elektronische) Aufklärung SRS-13 "TANGAZH" wurden die Sendefrequenzen gegnerischer boden- und schiffsgestützter Radar- und Feuerleitsysteme erfasst und deren Standorte ermittelt. Das SRS-13 ist ein Mehrkanalaufklärungsempfänger mit automatischer Analyse und Aufzeichnung der Aufklärungsdaten der empfangenen Signale und kann wahlweise auf "Land" oder "See" umgeschaltet werden. Zur ungefähren Bestimmung der Trägerfrequenz empfangener Abtastimpulse verfügt das Gerät über 17 parallele Empfangskanäle. Für die unterschiedlichen Frequenzbereiche sind am Empfangssystem zwei Horn- und neun Spiralantennen angeschaltet. Zusätzlich mit aufgezeichnet werden noch weitere Informationen, wie Containerstatus, Kamerastatus, Flugrichtung, Uhrzeit. Die Daten werden in einem eingeblendeten Fenster angezeigt. Die auf Nassfilm festgehaltenen Aufklärungsergebnisse wurden am Boden nach der Entwicklung ausgewertet. |
Je ein Exemplar des KKR-1T/Ä2-54K ist in der Wehrtechnischen Studiensammlung (WTS) in Koblenz (Nr. 2602004) und in der Lehrsammlung Luftaufklärung des Ausbildungszentrums für Abbildende Aufklärung der Luftwaffe (AZAALw), ehemals Luftbildlehrstaffel (LBLStff), in Fürstenfeldbruck ausgestellt.
KKR-1T/Ä2-54K in der WTS Koblenz
Das Flugzeugmuseum Cottbus hatte zwei KKR-1T/Ä2-54K im Bestand; einen kompletten an der "365" hängend (Nr. 3450007; siehe oben an der '363' in Laage, 1990) und einen weiteren (Nr. 4392003, jedoch ohne Ausrüstung) abgestellt im 'Lager'. Letzterer wurde an die Flugwelt Altenburg Nobitz abgegeben und hängt dort seit Mai 2016 nun ebenfalls an einer SU-22M4.
Detailansichten vom
KKR-1T/Ä2-54K Nr. 345007 unter der "365" in Cottbus
KKR-1T/Ä2-54K Nr. 4392003
im 'Lager' in Cottbus
![]() ![]() schematische Darstellung |
![]() Ablage (Flugplatz Laage, 1990) |
![]() letzte Einstellarbeiten am SPS-141 MWGÄ (links der KKR-1T) |
SPS-141 MWGÄ an der "365" im Museum Cottbus (2010) |
![]() Bedienungspanel im Cockpit siehe auch ![]() |
![]() Wartungsklappe |
1984 begann die Zuführung der SU-22M4 in NVA-LSK. Gleichzeitig erhielten die beiden Verbände jeweils 14 Täusch-/Störbehälter (self-protection deceptive jammer) vom Typ SPS-141 MWGÄ
(Exportversion des SPS-141). Er erzeugt abhängig von der Art der empfangenen Radarsignale
automatisch aktive Antwortstörungen (Repeater) und ermöglicht durch
Kombinationen von verschiedenen Entfernungs- und Winkeltäuschverfahren den individuellen Selbstschutz und den Schutz
von Flugzeugformationen gegen Flugabwehr-, Luft-Luft-Raketen und radargesteuerten
Flugabwehrkanonen. Die Antwortstörungen sind gegen Impuls-, Dauerstrich-(CW-) oder
Quasi-CW-Radargeräte gerichtet.
Es sind vier verschiedene Modi/Programme wählbar:
Schwerpunktmässig war der SPS-141 gegen das FlaRak-System HAWK gerichtet. Der Arbeitsfrequenzbereich liegt im G- bis I-Band.
Die Einführung des Nachfolgemodells SPS-143 war geplant, die Beschaffung wurde aber wegen der politischen Ereignisse Ende 1989 storniert. Bei der Bundeswehr ist der SPS-141 MWGÄ durch die Wehrtechnische Dienststelle 61 (WTD-61) in Manching nach einer Erprobungsphase am von der NVA übernommenen Typ SU-22M4, nach entsprechender Anpassung auch an einer McD F-4F Phantom II (KWS) des Jagdgeschwaders 73 Pferdsfeld sowie an einer Phantom II (KWS) des Jagdgeschwader 74 "Mölders" (JG 74 "M") aus Neuburg/Donau erprobt worden. Zu einem "regulären" Einsatz ist er jedoch nicht gekommen.
Während der NATO-Übung
"ELITE 2005" über dem Truppenübungsplatz Heuberg wurde der SPS-141
an der
F-4F
des JG-74 "M" 38+24 gesehen.
Auch
in 2006 wurde der Pod an der F4-F 37+15 der WTD-61 gesichtet.
Beim letzten Flug einer F-4F der Luftwaffe beim "PHANTOM PHAREWELL" am
29.06.2013
beim JG-71 "R" in Wittmund war in der Luftfahrzeugschau ('Static Display') die
37+15 der WTD-61 mit dem SPS-141 auch noch einmal zu sehen:
![]() ![]() ![]() ![]() |
Ein Störbehälter ist in der Wehrtechnischen Studiensammlung (WTS) in Koblenz ausgestellt:
SPS-141 MWGÄ von links |
SPS-141 MWGÄ von rechts vorn bzw. Front und Heck von links |
Foto der Original-Wandtafel aus dem Technikbereich
MFG-28
Auf einer Betonmauer auf dem Flugplatz Laage aufgemalte Gebiete für Kunstflug- und Luftkampfmanöver:
![]() an einer Mauer befinden sich fünf aufgezeichnete Gebiete |
![]() Raum Demmin-Stavenhagen |
![]() Raum Waren/Müritz |
![]() Raum Wismar/Schweriner See |
![]() Raum Fischland |
![]() Raum Prora/Rügen |
Fotos vom Tag der Offenen Tür des JG
73 "Steinhoff" in Laage am 19.08.2006
anlässlich des 50. Jahrestag des Bestehens der Bundesluftwaffe
Zu sehen ist die SU-22M4 mit taktischer Nummer "734" des MFG-28, allerdings nicht in Originallackierung und ohne "DDR-Abzeichen".
Technische Daten der "734":
Taktisches Kennzeichen der nach Übernahme durch die Bundeswehr: 25+38,
Werk-Nr.: 31205
Nutzungsbeginn: September 1986
Sollflugzeit in Std: 800
Restflugzeit in Std: 364
Die "734" war eine von nur vier Maschinen (724, 728, 734, 798) der 1. Staffel
/MFG-28, die zur 30./31. Serie gehörten (siehe Seriennummer); diese Maschinen
waren an den vier ASO-2W-Werfern (Chaff-/Flare-Dispenser) auf dem Rumpfrücken
erkennbar (siehe Foto).
![]() mit Chaff-/Flare-Dispenser |
![]() mit KKR-1T und SPS-141 MWGÄ und R-60MK Luft-Luft-Rakete |
![]() |
![]() mit KKR-1T und SPS-141 MWGÄ und R-60MK Luft-Luft-Rakete |
![]() |
![]() mit PTB-1150, R-60MK Luft-Luft-Rakete, UB-32A-Raketenbehälter, KKR-1T |
![]() |
![]() |
Im Flugzeugmuseum Cottbus ist die SU-22M4 "365" des JBG-77 abgestellt (mit KKR-1T (Nr.3450007) und SPS-141 MWGÄ):
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Schönes Video zum KKR-1T und SPS-141 bei youtube
link-1
; die SU-22M4 im Flugbetrieb
link-2
(u.a. die
"380" mit SPS-141 MGWÄ und KKR-1T) sowie weitere Videos zu Laage und den SU-22
link-3 .
Dank an Herrn Torsten Utes und Herrn Hannes Mallwitz, die freundlicherweise einige Fotos und Hintergrundinformationen zur Verfügung gestellt haben sowie an Herrn Jens Opitz für die Fotos aus Laage (734, ASA) und Cottbus (365).