Entwicklungsgeschichte der EGRETT / D-500
1969:
Die US-amerikanische Firma Ling-Temco-Vought (LTV) Electrosystems Division, (später E-Systems, dann Raytheon Intelligence and Information Systems (RIIS, IIS), heute L-3 Communications Integrated Systems (L-3/IS)) in Greenville, TX/USA beginnt mit der Entwicklung eines leichten Höhenaufklärungsflugzeugs, daß sowohl in bemannter als auch in unbemannter Konfiguration fliegen soll. Es wird als L450F bezeichnet ( link-1 link-2).
1971:
E-Systems erhält von der US-Air Force den Auftrag eine militärische Version der L450F zu entwickeln und zu bauen. Dieses Luftfahrzeug, nun als XQM-93A bezeichnet (Programmname COMPASS DWELL), soll ebenfalls bemannt oder unbemannt fliegen können. In unbemannter Ausführung (UAV = Unmanned Aerial Vehicle) wird es vom Boden aus funkferngesteuert. Es soll eine elektronische Ausrüstung von bis zu 1.000 lbs mitführen und bis zu 24 Stunden in einer Höhe von 50.000 ft operieren können.
1972:
Die L450F stellt am 27. März mit 15.549 m u.a. auch einen Höhenweltrekord für Turboprop-Flugzeuge auf ( FAI, class C-1, group II <altitude> ) |
)973:
Die Entwicklung der XQM-93A ist abgeschlossen. Der Prototyp wird an die US-Air Force geliefert, die ihn auf der Edwards AFB in Kalifornien testet. Zum Jahresende werden alle Tests erfolgreich abgeschlossen. Das UAV wird von der US-Air Force zwar angenommen, das Programm COMPASS DWELL aber dennoch abgebrochen.
1984:
Während verschiedener Demonstrationen bei Air Shows in Europa im Sommer weckt die L450F bei den Militärs neues Interesse für ein Höhenaufklärungsflugzeug, das letztendlich zur Entwicklung der EGRETT führt.
1985:
In einem "Positionspapier FmEloAufklLw" legt der Führungsstab Luftwaffe (FüL) fest, dass das bisherige Konzept der FmEloAufkl, bestehend aus den bodengebundenen Komponenten (EASys Boden) und der gemeinsam mit der Marine betriebenen fliegenden Komponente Breguet BR.1150 ATLANTIC 'PEACE PEEK' zu überarbeiten. Der Inspekteur Luftwaffe, General Eberhard Eimler, entscheidet, ein nationales luftgestütztes Aufklärungssystem zu beschaffen. Die US-amerikanische Elektronikfirma E-Systems (später Raytheon, heute L3), erhält den Auftrag, das Konzept für ein fortschrittliches taktisches System zur Nachrichtengewinnung zu erstellen. Es soll die Breguet ATLANTIC 'SIGINT' ergänzen. Das Projekt firmiert bei der Luftwaffe auch unter dem Kürzel GAFECS (German Air Force Electronic Communication System).
1986:
Die Taktische Forderung für eine "Luftgestützte Erfassung" wir am 15.08. durch den Inspekteur Luftwaffe gebilligt und die Entwicklung des neuen Höhenaufklärers "EGRETT" wird offiziell bekanntgegeben. Das neue Projekt ist sowohl für den militärischen als auch für den zivilen Einsatz gedacht, wie z.B. Grenzüberwachung, als fliegende Relaisstelle, Umweltschutz, Drogenbekämpfung, Erderkundung, Verifikation von Abrüstungsmaßnahmen, etc..
Das Flugzeug wird in enger Zusammenarbeit von E-Systems mit der deutschen Firma Burkhart Grob Luft- und Raumfahrt GmbH & Co. KG in Mindelheim-Mattsies entwickelt und gebaut.
1987:
D-FGEI im Flug |
Der Erstflug der "EGRETT-1" (Registrierung D-FGEI)
findet am 24.06. in
Mindelheim-Mattsies statt. Weitere Tests werden bei der in Manching
beheimateten
Wehrtechnischen
Dienststelle 61 (WTD-61)
durchgeführt. Die am Standort ansässige damalige Fa. Messerschmitt-Bölkow-Blohm
GmbH (MBB) führte die Systemintegration für den projektierten SIGINT-Einsatz
durch. |
1988:
In der Klasse C-1e stellt die EGRETT-1 drei Weltrekorde auf :
größte Höhe im Horizontalflug mit 16.226 m (53.236 ft) |
Steigzeit auf 15.000 m in 40 Minuten 47 Sekunden |
Die Fa.
E-Systems erhält den größten Einzelauftrag ihrer Geschichte: Entwicklung des
Fernmelde- und Elektronischen Aufklärungssystems LAPAS I
(LAPAS = Luftgestütztes Abstandsfähiges Primär-Aufklärungssystem) inklusive den
Bodenstationen. In den USA firmiert das Projekt LAPAS unter dem Namen SENIOR
GUARDIAN. Der Auftrag umfasst ein Gesamtvolumen von 281 Mio US-Dollar. Das System soll
für alle Teilstreitkräfte beschafft werden, wobei der Luftwaffe die Pilotfunktion
übertragen wird. Das neue Einsatzkonzept für die boden- und luftgestützte Fernmelde-
und Elektronische Aufklärung der Luftwaffe (EASysLuft = Erfassungs- und Auswertesystem
Luftwaffe) sieht nun folgende Mittel vor:
|
Der erste und sogenannte Pre-Prototyp wird am 10. Juni 1988 beauftragt.
1989:
Der nun als D-500 (Registrierung D-FGEE) bezeichnete Pre-Prototyp wird am 07.09.89 auf dem Luftwaffenfliegerhorst Pferdsfeld der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Gegensatz zum POC (Proof-Of-Concept) "EGRETT-1" besitzt die D-500 "EGRETT-2" ein komplettes Einziehfahrwerk und ist vom Konzept her ein völlig neues Flugzeug. Am 28. April wird der Bau des zweiten Flugzeugs, des sogenannten Prototypen, beauftragt.
1990:
Die zweite D-500 (Registrierung D-FGEO) wird in die USA gebracht, wo bei E-Systems die
taktische Missions-Ausrüstung oder (Primary Mission Equipment) zur Erprobung installiert wird.
Der
in Deutschland verbliebene Pre-Prototyp führt
anstelle der Missions-Ausrüstung nur entsprechende Gewichte mit.
Vom 19. September bis 20. Oktober nimmt die "EGRETT-1" als STRATOLAB im Rahmen von Atmosphärenforschungsflügen am International Cirrus Experiment (ICE) teil. Standort in dem Zeitraum ist der Marinefliegerhorst Nordholz. |
1991:
Zur Erprobung
der eingebauten passiven Aufklärungssensoren und der Bodenstation (Ground
Station) wird mit dem Prototypen eine mehrmonatige Testphase bei der Firma durchgeführt.
Für den Flugbetrieb in den USA hatte die Maschine schon im Vorjahr die
amerikanischer Registrierung N27ES
erhalten.
Der Pre-Prototyp
wird für Flugtests auch zeitweise bei der
Wehrtechnischen Dienststelle 61 in Manching stationiert (12.11. - 26.11.91 und
08.07. - 31.07.92).
Im Sommer 1991 findet eine mehrwöchige Ausbildung/ Einweisung der Systembediener (Operator) und des Wartungspersonals an den zukünftigen Arbeitsplätzen (workstations) bei E-Systems in Greenville, Texas/ USA statt. Aufgrund von Verzögerungen in der Entwicklung/Beschaffung wird im Sommer 1992 eine erforderliche "Refresher-Ausbildung" durchgeführt.
Während der Ausbildung führt die EGRETT Erprobungsflüge auf mindestens
zwei Flugstrecken durch: |
Unter dem Projektnamen PRISMA (Primary Imaging System for Multiple Applications) wird auf dem Aerosalon in Paris ein dritter Demonstrator (Registrierung D-FDEM) der Öffentlichkeit vorgestellt. Er zielt auf das von der Bundeswehr projektierte System LAPAS II für abbildende Aufklärung ab.
Ein vierter Demonstrator mit der Typenbezeichnung G520 (Registrierung D-FGRO) nimmt in Mindelheim den Flugbetrieb auf. Markantes Kennzeichen sind die modifizierten Tragflächen mit sogenannten Winglets.
Zwischen den Firmen Firma Burkhart Grob Luft- und Raumfahrt und E-Systems wird der Vertrag über Entwicklung, Bau und Zulassung eines zweisitzigen Trainingsflugzeugs TD-500 (Registrierung D-FDST), spätere Bezeichnung G520T, abgeschlossen. Dieser Vertrag hat ein Gesamtvolumen von 27,4 Mio US-Dollar. Im Rahmen der Beschaffung der TD-500 wird später der Pre-Prototyp unter Anrechnung des ausgehandelten Restwertes auf den Beschaffungspreis an die Herstellerfirma zurückgegeben.
1992:
Im Juni vermehren sich die Anzeichen, daß Bundesverteidigungsminister Volker Rühe aus Ersparnisgründen das Projekt LAPAS stoppen will. In den folgenden Monaten hält die Ungewißheit über eine Beschaffung an. Von der Opposition wird die Notwendigkeit des Systems stark angezweifelt. Durch aufkommende Spekulationen um eine mögliche Bestechung im Zusammenhang mit der Einführung des neuen Aufklärungssystems gerät die Beschaffung politisch unter Druck.
1993:
Seit 15. Januar befindet sich der Prototyp wieder in Deutschland und soll für die bevorstehenden Tests der einsatzspezifischen Elektronik vorbereitet werden.
|
Am 21.01., 18.02. und 01.03.1993 wird die Ausrüstung für die vorgesehene Bodenstelle Thurauer Berg bei Lüchow mit jeweils einer SHORT Belfast C1 der Gesellschaft "Heavy Lift"auf den Heeresflugplatz Faßberg eingeflogen und eingelagert. Über den späteren Verbleib nach Abbruch des Vorhabens ist nichts bekannt. |
Aufgrund der Finanzlage und des politischen Drucks sieht sich Minister Rühe am 3. Februar gezwungen, das Rüstungsvorhaben LAPAS kurz vor der Unterzeichnung der Beschaffung zu stoppen.
Im April startet der Doppelsitzer G520T zu seinem Erstflug.
Am 12. Mai beschließt der Verteidigungsausschuß das endgültige "Aus". Ein geplanter und gekürzter Truppenversuch, um das Projekt zu einem "qualifizierten Abschluß" zu bringen, kommt nicht mehr zustande.
1995 / 1998:
Der Prototyp D-500, das doppelsitzige Trainingsflugzeug TD-500/G520T und auch der Pre-Prototyp D-500 werden über die VEBEG auf dem freien Markt angeboten und versteigert, der Doppelsitzer G520T wird an das Airborne Research Australia (ARA) in Adelaide verkauft und erbringt einen Erlös von drei Mio DM. Vor der mehrtägigen Überführung (09.-19.Mai 1998) von Oberpfaffenhofen zum Parafield Airfield in Adelaide, Australien erfolgen in Zusammenarbeit von Grob und der DLR für den den neuen Aufgabenbereich noch Modifikationen in Höhe von ca. einer Mio DM.
Für das Vorhaben LAPAS sind für Entwicklung und (Teil-) Beschaffung 716 Mio DM ausgegeben worden. |
Die verschiedenen Flugzeugtypen und ihr Verbleib (nicht bei allen aktuell bekannt):
Type |
C/N |
Reg |
Reg |
Reg | Reg |
Reg |
||
EGRETT-1 |
POC (Proof-of-Concept) |
D-450 |
10001 |
D-FGEI |
|
|
||
EGRETT-2 |
Pre-Prototype LAPAS I |
D-500 |
10002 |
|
|
|||
EGRETT-2 |
Prototype LAPAS I |
D-500 |
10003 |
|||||
EGRETT-2 |
G520 |
10004 |
|
|
||||
EGRETT-2 |
STRATO-1 |
G520 |
10005 |
|
|
|||
EGRETT-2 |
Doppelsitzer/ Trainer |
TD-500 / G520T |
10200 |
VH-ARA |
|
Reg |
Verbleib |
Land |
D-FGEI |
Zu Testzwecken zur Fa. E-Systems nach Greenville/TX, USA verbracht, flog dort als N14ES. 1989 als STRATOLAB im Einsatz (hier auf der ILA 90 in Hannover). Abgestellt bei Firma Grob Aircraft AG in Mindelheim (später abgewrackt ?) |
DEU |
D-FGEE |
In 1994 stellte die D-FGEE einige Weltrekorde auf. 1995 Verkauf über die VEBEG in die USA; flog dort (noch mit Registrierung D-FGEE) für das DOE (Department of Energy) in Oklahoma vom 25.09.-01.11.1995 im Rahmen ARESE (ARM (Atmospheric Radiation Measurement) Enhanced Shortwave Experiment). Das Flugzeug war lange Zeit abgestellt in Van Nuys/Los Angeles, CA/USA. Standort ab 2015 (als N4510): Midlothian, TX/USA link. Seit Juli 2018 ist die N4510 im Besitz der Firma
AV Experts LLC, Wilmington,
DE/USA link
. aktuelles (Juli 2022) Foto |
USA |
D-FGEO |
Nach ihrer Rückkehr aus den USA (N27ES) wurde das LFZ nach Projektaufgabe 1995 über die VEBEG an die Rüstungsfirma STN Atlas Elektronik GmbH in Bremen verkauft und flog dort mit der Registrierung D-FSTN (hier auf dem Marinefliegerhorst Nordholz im August 1995). Einige Jahre später wurde sie in die USA and weiterverkauft und war dann
u.a. auch auf dem
Van Nuys Airport in Los Angeles abgestellt
Besitzer ist seit 2005 die Fa. Gentran Corp., Omaha, NE/USA;
registriert ist das LFZ als N520EG
(FAA). Anm.: Im Video sind am Rumpf keine entsprechenden Merkmale zu finden. Ein Vergleich zeigt die übermalte und die ehemalige Registrierung D-FSTN: Fotomontage.
2015/2016: Die N520EG wird von Van Nuys
über Albuquerque, NM in den Bereich Dallas/ Fort Worth,TX nach Mineral Wells
zur Firma
Genesys
Aerosystems (ehemals S-TEC/Cobham Avionics) geflogen
youtube
|
USA |
Besitzer bis 2012: Firma Raytheon Co, Van Nuys, CA/USA; Reg.: N520DM
Die Maschine stand 2006
u.a. auch in Greenville, TX/USA.
2013: Flug von Hawaii nach Kalifornien (Van Nuys) in elf Stunden und einer
Flughöhe von 45.000 ft youtube |
USA | |
D-FGRO |
Dieses LFZ ist bei Firma Grob Aircraft AG in
Mindelheim verblieben und wurde als "Höhenforschungsflugzeug
STRATO-1" angeboten. Am 04.12.2014 traf die Maschine per Landtransport von Tampa,FL/USA kommend in Mineral Wells, TX/USA bei der Firma Genesys Aerosystems (ehemals S-TEC/Cobham Avionics) zwecks Einrüstung neuer Avionik-Systeme ein link. Das Flugzeug fliegt seit April (?) 2017 mit der Registrierung D-FAHH. Am 20.03.2019 wurde sie bei einem Landeunfall in Mindelheim-Mattsies schwer beschädigt Untersuchungsbericht Die D-FAHH auf der ILA 2022 in Berlin link |
DEU |
1998 Verkauf
an ARA/Flinders
University of South Australia, Adelaide. Nach dem Überführungsflug war
sie dort im Einsatz als
VH-ARA
im Rahmen von Forschungsprogrammen (Fact
sheet). Im Juni 2014 wurde die von der Fa.
Grob Aircraft (H3) im März (zurück) erworbene G520T (VH-ARA, ex D-FDST)
wieder nach Deutschland gebracht und im Juli 2014 bei der Luftfahrtschau in Farnborough/UK mit der neuen Kennung
D-FHHH und neuer Typbezeichnung G520NG (NG = New
Generation) gezeigt
link . Ende 2015 traf der Doppelsitzer in Tampa,FL/USA wie schon der Einsitzer ein Jahr zuvor (s.o.) in Mineral Wells, TX/USA bei der Firma Genesys Aerosystems zwecks Einrüstung neuer Avionik-Systeme ein link. aktuelles (Februar 2022) Foto |
DEU |
Anmerkung:
Interessant ist, daß sich
zeitweise wohl zwei (C/N 10003 und 10004), möglicherweise sogar drei Maschinen
(mit C/N 10002) auf
dem Flugplatz Van Nuys, CA/USA befanden.
Das DEGOSS-Konsortium
DEGOSS: DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) ESG (Elektroniksystem- und Logistik-GmbH) Grob Aircraft AG OHB-System AG Surveillance System |
Die bei der Fa. Grob
Aerospace - seit Anfang 2009 durch die Münchener Firma H3
Aerospace als
Grob Aircraft AG
weitergeführt - verbliebene EGRETT G520 "STRATO-1" ist von dem
Firmenkonsortium DEGOSS zu einem unbemannten
Flugzeugsystem weiterentwickelt worden, das als Optional Piloted Vehicle (OPV)
im kontrollierten Luftraum zusätzlich zur Fernsteuerung auch von einem
Piloten konventionell geflogen werden kann. |
Die EGRETT der DEGOSS auf der ILA 2010:
(Dank an Susanne Hähnel für die Fotos) |
DEGOSS-Messeprospekt (nicht mehr online, nur noch über https://archive.org/web/ (Stand 11.01.2014)) |