Antonov AN-26T / AN-26M "DISKANT"

Die luftgestützte Funk- und funktechnische Aufklärung geht auf eine Initiative des Chefs der Verwaltung Aufklärung, Generalleutnant Alfred Krause und des Leiters der Hauptabteilung III (ELOKA) des Ministeriums für Staatssicherheit, Generalmajor Horst Männchen zurück und wurde unter der Deck-/Tarnbezeichnung "DISKANT" durchgeführt.

Basisflugzeug für die Aufklärungsflüge war zuerst die Antonov AN-26T der Transportfliegerstaffel 24 (TS-24) in Dresden-Klotzsche. Der erste Testflug einer DISKANT-Maschine fand am 03. April 1984 statt. Zwar war von Anfang an zum Zweck der luftgestützten FuFuTAkl eine eigene Maschine vorgesehen, aber dieses Flugzeug, eine AN-26M (Bordnummer 373), wurde am 20. Dezember 1985 erst vom Herstellerwerk in Kiev-Svyatoshino nach Kiev-Borispol geflogen und von dort einen Tag später nach Dresden überführt. Der erste Einsatzflug der '373' fand elf Monate später statt. Daher kamen vorher verschiedene andere Maschinen der Staffel zum Einsatz, so u.a. die 368, 371 und 374. Für die Funkaufklärung wurden anfangs Empfänger älterer Bauart eingerüstet wie z.B. R-313, R-323 bzw. UP-3MA arrow.gif (948 Byte)link , UP3-MB.

Zur Durchführung der Flüge gab es zwei Standardstrecken (22918 und 22919) sowie verschiedene Einsatzzonen. Die Flughöhe hing von der geflogenen Strecke ab:

Die Strecken verliefen von Dresden aus Richtung Westen, dann mit einigem Abstand entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze erst Richtung West, dann Richtung Nord bis zur Ostsee und über mehrere Wendepunkte über See nach Peenemünde. Der Abstand zur "Staatsgrenze West" betrug bei Strecke 22918 ca. 25 km, bei Strecke 22919 ca. 10 km.

Entlang den Strecken lagen mehrere Zonen bzw. Arbeitsräume, in denen je nach Bedarf auch hin- und hergeflogen werden konnte, so z.B. auf der Strecke 22918 (10er Zonennummern) die Zone-14 zwischen Stendal und Bad Wilsnack oder auf der Strecke 22919 (20er Zonennummern) die Zone-25 zwischen Halberstadt und Wittenberge.

Nach einer Zwischenlandung mit Auftanken in Peenemünde wurden die gleichen Strecken zurückgeflogen. Gelegentlich wurde auch schon vor Erreichen der Ostsee umgekehrt und nach Dresden zurückgeflogen. Gelegentliche Zwischenlandungen in Laage fanden zuletzt (bis zur Wende) nicht mehr statt.


Über der Ostsee wurde die DISKANT-Maschine manchmal von Militärmaschinen der NATO angeflogen und begleitet; dazu hat Herr Volker Liebscher als Zeitzeuge folgendes zu berichten (Stand 06.01.2014):



die "368" über der Ostsee
(fotografiert aus der
BR.1150 BREGUET ATLANTIC 'SIGINT' 61+03
am 02.10.1984 gegen 10:55 Ortszeit)

 


der "Gegenüber":
die "61+03" über der Ostsee
(fotografiert aus der AN-26 "368" am
gleichen Tag)

 

Gegnerkontakt über der Ostsee

Parallel zum Grenzverlauf fliegende Luftfahrzeuge blieben an einer sensiblen Grenze, wie der zwischen NATO und Warschauer Vertrag selbstverständlich auch auf NATO-Seite nicht unbeachtet. Bei den Flügen „Diskant“ führte die Strecke manchmal über die Ostsee. Hier fand sich Gelegenheit der „Besichtigung“ unserer Maschine. So kam es zu, von uns nicht gewünschten Treffen, mit Jagdflugzeugen nordischer Länder. Noch unangenehmer waren jedoch die hautnahen Kontakte mit Breguet 1150 Atlantic Überwachungsflugzeugen des BRD-Marinefliegergeschwaders 3 (MGF3). Im Beitrag „Das Unternehmen Diskant“, als auch im Buch „Geheime Aufklärungsflüge Relais“ berichtete ich über diese Begegnungen mit Militärflugzeugen der „anderen Seite“.

Mangels entsprechender Dokumente konnte ich zur Zeit der Veröffentlichung dieser Texte nicht sicher sagen, ob es sich bei den Breguet gar um SIGINT/COMINT Maschinen handelte. Bei Recherchen in den Dokumenten- und Fotobeständen der BSTU bin ich inzwischen auf die Fotos gestoßen, welche damals von Bord unserer AN 26 entstanden. Diese zeigen die Breguet 1150 Atlantic 61+03. In diesem Fall einer Begegnung handelt es sich also um eine echte elektronische Aufklärungsmaschine. Nach den mir nun vorliegenden Daten, fand diese Begegnung am 2.10.1984 gegen 10:55 Uhr statt. In unserem damaligen Einsatzbericht wird von einer Annäherung auf 30 – 50 m gesprochen.
Noch 30 Jahre später bedaure ich die Crew der „368“. Nicht nur, das es sicherlich unangenehm ist, in so geringem Abstand zu einem anderen Flugzeug zu fliegen, es waren mit Gewissheit viele Blätter Papier zu beschreiben, um über den Vorfall zu berichten.

Die Daten der Begegnung werden durch die damalige Gegenseite bestätigt. Zeigen doch Fotos auf der Internetseite www.manfred-bischoff.de die „Diskant“ AN 26 mit der Bordnummer 368. Noch zu prüfen bliebe, was die Besatzung der 61+03 über dieses Treffen berichtete.
Ich hoffe einmal, dass auch dieses noch geklärt wird, um in einer Neuauflage meines Buches darüber berichten zu können. Ich bin da recht optimistisch fündig zu werden, zeigt sich doch, dass das Verständnis zwischen echten ehemaligen Gegnern an der Aufklärungsfront des kalten Krieges erheblich größer ist, als es bei Politikern und Medien der Fall ist.

In jener, bei uns als Relais III/3 bezeichneten Maßnahme wird über zwei weiter Begegnungen geschrieben. Am 5.9.1984 näherten sich demnach um 13:45 Uhr ein schwedisches, und am 28.9.1984, 10:57 Uhr ein dänisches Kampfflugzeug an unsere Maschine an. Der Schwede soll nur 50 m entfernt gewesen sein.

Volker Liebscher

Fotos:  BStU MfS-HA-III-6148-Seite-0245

 

 


Während des Einsatzes wurde durch die Besatzung auch Funkverbindung mit Jägerleitstellungen (GCI = Ground Controlled Intercept) der NVA aufgenommen, z.B. mit der bei der Funktechnischen Kompanie FuTK 612 in Wusterwitz installierten Jägerleitstelle 31/3 .

Funkverbindung mit GSTD-/WGT-Flugplätzen wurde nur aufgenommen, wenn deren Kontrollzonen durchflogen wurden. Während des Einsatzes auf der jeweiligen Aufklärungstrecke bzw. in den Arbeitszonen wurden durch das Aufklärungspersonal kodierte Meldungen (Zahlensprüche) an eine Eingangsstelle des FuAR-2 bzw. ZFD in Dessau abgesetzt. Eine weitere Eingangsstelle stand in der Betriebsstelle-4 in Scheuder zur Verfügung.

Die AN-26M verfügt für die externe und interne Kommunikation u.a. über folgende Ausrüstung:

die Flugstrecken 22918 und 22919 als Pfad für google earth herunterladen: arrow.gif (948 Byte) (Ortsangaben ohne Gewähr)

Eindringtiefen für relevante HA III - Aufklärungsziele als Pfad für google earth herunterladen: arrow.gif (948 Byte) (Ortsangaben ohne Gewähr)


Die Antonov AN-26T (verschiedene Maschinen/Bordnummern genutzt)

Arbeitsplatzanordnung in der AN-26T (Stand September 1984 <vermutlich>):

Anm.: Nachfolgende neun Innenaufnahmen der DISKANT stammen aus einem Original-Dia-Satz mit der ehemaligen VVS-Nr. A649 069 (4. Ausfertigung).


Konfiguration

siehe auch:
arrow.gif (948 Byte)link-1
 

AP-1 (Funkaufklärung - UKW 'Landstreitkräfte')

Empfänger
UP-3MA

Empfänger
R-323

Empfänger
R-323

 

Aufzeichnung
RFT mira

Aufzeichnung
M7M (1x)

 

AP-2 (Funkaufklärung - UKW 'Luftstreitkräfte')

Empfänger
UP-3MB

 

Empfänger
R-871

 

Empfänger
R-313

Aufzeichnung
M7M (2x)

Anm.:
zur Bedienung der Empfangsgeräte gab es eigens sogenannte Berechtigungskarten.

(Dank an Herrn M.Gößl)

 AP-3 (Funkaufklärung - UKW 'Landstreitkräfte')

Empfänger
R-323

Empfänger
R-323

Panorama-Empänger
R-318

 R-318-Netzteil

Aufzeichnung
M7M (2x)

   

AP-4 (Leiter - Führung + Auswertung)

Aufzeichnung
M7M (2x)

 (Streckenkarte arrow.gif (948 Byte)link )

AP-5 (Funktechnische Aufklärung)

Empfänger
PRKR-1
"Dnepr"

AP-6 (Sondersignale), siehe auch arrow.gif (948 Byte)hier

Empfänger
R&S
ET-001

Antennenverstärker
2049V

Funkuhr T

Aufzeichnung
UHER 4400
Report Stereo

Aufzeichnung
UHER 4400
Report Stereo

Aufzeichnung
UHER 4400
Report Stereo

Antennenverstärker
2049V

Aufzeichnung
UHER 4400
Report Stereo

Aufzeichnung
UHER 4400
Report Stereo

Aufzeichnung
UHER 4400
Report Monitor
Foto-1
Foto-2

Empfänger
Bearcat 220FB

Empfänger
Bearcat 220FB

Empfänger
Realistic
Pro-2001

Empfänger
Bearcat 220FB


Die Antonov AN-26M "373"

In der Flugzeugreparaturwerkstatt 24 (FRW-24) in Kamenz ist die AN-26M "373" (arrow.gif (948 Byte)Info ) wie ihre 'Vorgänger' für den speziellen Einsatzzweck vorbereitet worden. Im Laderaum wurden die entsprechenden Arbeitsplätze mit Arbeitstischen und Sitzbänken eingerüstet, sowie Gestelle und Halterungen für die Aufklärungsgeräte, Antennen, Umformer für die Stromversorgung und die Verkabelung installiert. Der Ein- bzw. Ausbau war relativ unkompliziert. Ab 25. November 1986 kam die 373 dann zum Einsatz.

Die insgesamt sechs Arbeitsplätze (AP) der "373" waren mit den entsprechenden Aufklärungs-, Aufzeichnungs-, Analyse- und Zusatzgeräten ausgestattet. An den vorderen Plätzen saßen Soldaten des FuAR-2/ZFD, der hinterste an der Ladeluke gelegene AP wurde bis zur Auflösung des MfS/AfNS durch Personal der SFD (Spezialfunkdienste) genutzt, das ihr Equipment erst kurz vor dem Einsatz eingebaut und unmittelbar nach dem Einsatz wieder ausgebaut und mitgenommen hat:

  • drei AP für Überwachung und Aufzeichnung von Funkverkehren von Land- und Luftstreitkräften im VHF- und UHF-Bereich (teilweise automatisiert);
    eine Besonderheit war der Decoder am AP-3. Damit konnten die Datenübertragungen des US-Army-Artillerieleitsystems TACFIRE mitgelesen werden.

  • ein AP zur Erfassung und Analyse von Radarausstrahlungen,

  • ein AP für den Leiter der Gruppe (Führung und Auswertung),

  • ein AP zur Erfassung und Analyse von Sondersignalen (genutzt durch SFD des MfS/AfNS, später nur noch durch FuAR-2/ZFD, siehe oben bzw. unten AP-6).

Zusätzlich war noch ein Techniker mit an Bord.

Die Stromversorgung der Arbeitsplätze wurde erst zugeschaltet, wenn die Maschine die entsprechende Arbeitshöhe erreicht hatte.

Die 373 verfügte noch über weitere Besonderheiten. Optischer Unterschied zu den anderen AN-26 waren die beiden letzten Fenster beider Rumpfseiten, die kugelförmig nach außen gewölbt waren, ähnlich wie sonst nur beim Platz des Navigators. In zwei Fenstern (jeweils das vorletzte auf jeder Seite) waren an Halterungen spezielle Empfangsantennen installiert. Weiterhin waren zusätzliche VHF-/UHF-Antennen sowie eine 18 m Kurzwellen- (HF-) Langdrahtantenne von der vorderen Rumpfoberseite zum Seitenleitwerk, werksmäßig an der Zelle angebracht und entsprechend verkabelt. Zwei weitere HF-Antennen (je 6 m) waren jeweils seitwärts am Rumpf und dem Höhenleitwerk befestigt. Die verschiedenen Antennen und die angeschalteten Empfänger erlaubten eine Bearbeitung des Frequenzspektrums von ca. 20 MHz bis 10 GHz.

Ein Ehemaliger berichtet über seine Einsätze in der "373" arrow.gif (948 Byte)Bericht.

Außenansichten der AN-26M "373"

 


die Vorstartlinie in Dresden

 die "373"

 

 

Antennen des Radarwarnsystems S3M

Einstiegstür
 

diverse Schwertantennen
 

Kurzwellenantenne
(zum Höhenleitwerk)

Kurzwellenantenne
 

GHz-Antenne (links hinter dem Fenster
  und
Schwertantenne (unten)

Schwertantennen
 

Antenne für Aufklärung im GHz-Bereich
(steuerbord)


 

GHz-Antenne  und weitere Antennen
unter dem Rumpf

im Hintergrund eine Mil MI-2
 

Antennen des Radarwarnsystems
S3M am Heck
 

Kurzwellenantenne
(zum linken Seitenleitwerk)

 



 

Antenne für Aufklärung im GHz-Bereich
(backbord) und Kurzwellenantenne
(zum Seitenleitwerk)



 

 

Cockpit AN-26M "373 (Arbeitsplätze Pilot, Co-Pilot, Navigator und Funker)


 

Bediengerät des Radarwarnsystems S3M

 

 

 

 

Arbeitsplatz des Funkers

Arbeitsplatz des Funkers

 

Arbeitsplatz des Navigators

 

Arbeitsplatzanordnung in der AN-26M "373" (Stand September 1990):


Blick nach vorn über AP-2 zum AP-1

Blick nach vorn über AP-4 zum AP-3
 
Blick nach vorn über AP-4

Blick nach hinten über AP-3 bis AP-5

AP-1 (Funkaufklärung -UKW)

 

Aufzeichnungs-Steuerung

 

 

Aufzeichnungs-Steuerung

Panoramaempfänger
VREV-P

Empfänger
VREV-T

Empfänger
VREV-T

Aufzeichnung
SK-3000 HiFi

AP-2 (Funkaufklärung - UKW)

Aufzeichnungs-Steuerung

   

 

Empfänger
VREV-T

Aufzeichnung
SK-3000 HiFi

Empfänger
VREV-T

Bitstromgenerator
BSR

Rechner
K-8915

Tastatur 8915


AP-3 (Funk-/Datenfunkaufklärung - UKW)

 

Aufzeichnungs-Steuerung

Drucker
K 6313

Aufzeichnung
SK-3000 HiFi

Empfänger
VREV-T

DÜ-Decoder

  Empfänger/Scanner
AR-2001
Empfänger/Scanner
AR-2001


AP-4 (Leiter - Führung + Auswertung)

Schaltbox  (Kommunikation) zu:
- Arbeitsplätze 1-7
- Flugzeugführer
-
MIKRON
- R-860


 

AP-5 (Funktechnische Aufklärung)

Monitor
ASYR

 

Speicher
PK-1

Fernschreib-Empfänger
F-1200

Aufzeichnung
SK-3000 HiFi

Empfänger
PRKR-1 "Dnepr"

Analysator
ASYR-01

 

Tastatur
ASYR-PS

zwei Antennen, jeweils eine links und rechts im Fenster

AP-6 (Sondersignale*)

Panoramaempfänger
UREV-PG

 

KW-Empfänger
HF-125

 

Empfänger
UREV-G

Spectrum-Analyzer
A 7550

10 kHz -
1 GHz

Oszilloskop
EO 174 A

 

Schaltbox
RF-Bereich-Wahlschalter ///
Abstimmung
(fein/grob)

Schalt- Box
(Funktion
unbekannt)

Empfänger/Scanner
AR-2001

 

Frequenzeingabe-Tastatur
K-125

 


* Fotos zeigen den Ausrüstungsstand September 1990, Nutzung durch FuAR-2/ZFD

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AP-6 (Sondersignale, Nutzung durch MfS/SFD; Beispiel mit Stand Februar 1985)

Aufbau ähnlich wie bei der AN-26T (siehe ganz oben)

Panoramaempfänger*

R&S ET-001

 

Funkuhr T

Scanner (drei Stück)
Bearcat 220 FB

Tonbandgerät (vier Stück)
UHER 4400
Report Stereo

Antennenverstärker
2079
Antennenverstärker
2049

* alternativ auch Empfänger 2170 oder Schlumberger 6900 Minilock


 Von Dezember 1980 bis April 1986 wurden bei der TS-24 in Dresden insgesamt zwölf AN-26 in Dienst gestellt. Mit Übernahme durch die Bundeswehr erhielt die 373 die Kennung 52+10, wurde für Transportaufgaben zurückgerüstet und war bei der Lufttransportgruppe des Lufttransportgeschwaders 65 weiterhin in Dresden-Klotzsche eingesetzt.

Nach einem Flugunfall am 27.02.1992 in Friedrichshafen (zu harte Landung) wurde sie abgeschrieben und später verschrottet. Ein trauriger Rest der 52+10 (die Cockpit-Sektion) ist im Schwäbisches Bauern und Technikmuseum in Eschach-Seifertshofen zu sehen.

Alle anderen Maschinen wurden nach kurzer Weiterverwendung außer Dienst gestellt und teilweise in Museen abgestellt, als letzte die 52+09 (ex 369), zu sehen im Luftwaffenmuseum Berlin-Gatow.


Für die vielen Hinweise ein besonderer Dank an Herrn Volker Liebscher und Herrn Wolfgang Kunze.
Mehr zu den DISKANT-Einsätzen in dem sehr zu empfehlenden Buch "Geheime Aufklärungsflüge >RELAIS< "  von Volker Liebscher.