In Ergänzung zur Funk- und Funktechnischen Aufklärung der NVA werden nachfolgend auch die Möglichkeiten der Hauptabteilung III (HA III) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) erläutert.

 

Die Hauptabteilung III (HA III) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS)

Die Funkaufklärung (Fernmeldeaufklärung) des MfS spielte bis Ende der 60er Jahre nur eine zweitrangige Rolle neben der taktischen Funkaufklärung durch die Nationale Volksarmee (NVA) entlang der damaligen innerdeutschen Grenze. Die Funk- und Funjktechnische Aufklärung der NVA versuchte u.a. durch die Überwachung von Fernmeldeverbindungen der NATO frühzeitig Hinweise auf einen möglichen Angriff durch die Alliierten zu bekommen. Mit Unterstützung von General Bruno Beater, dem ersten stellvertretenden Leiter des MfS und der Zustimmung von Erich Mielke, Minister für Staatsicherheit seit 1957, begann der damalige Hauptmann Horst Männchen ab 1966 mit dem Aufbau der anfangs als Bereich III bezeichneten und späteren Abteilung III als erste selbstständige Abteilung für Funkaufaufklärung im MfS.
1983 wurde eine weitere selbstständige Abteilung, die Abteilung F (Funkabwehr), in die Abteilung III eingegliedert, die dann zur Hauptabteilung (HA) wurde, deren Leiter bis Dezember 1989 Horst Männchen war, seit 1979 im Rang eines Generalmajors
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"Lauschangriff"

Aus zahlreichen stationären Aufklärungsstellen heraus wurden Funk- und Richtfunkverbindungen in Gebieten abgehört, in denen westdeutsche und alliierte diplomatische Einrichtungen, militärische Liegenschaften und Nachrichtenstellen lagen. Zwei Aufklärungsstellen dienten dem Abhören von Satellitenverbindungen, aus denen u.a. Erkenntnisse aus den Bereichen Militär, Wirtschaft und Industrie gewonnen wurden.

Die Hauptabteilung III (HA III) umfasste insgesamt bis zu ca. 4.500 Mitarbeiter; in 1989 arbeiteten ca. 2.400 Hauptamtliche im "Zentralobjekt Wuhlheide" (ZOW)* in Berlin-Köpenick, im Zentralobjekt der Spezialfunkdienste (SF) in Gosen, südöstlich von Berlin, in den zentral geführten Aussenstellen der Bezirksverwaltungen sowie in anderen Liegenschaften.

* Das ZOW liegt nur 2.300 m Luftlinie von der Zentrale der MilAufkl der NVA  in der Oberspreestrasse entfernt.

Die HA III war organisiert in Abteilungen (siehe Organigramm rechts), untergliedert nach Hauptaufgabengebieten und ausgerichtet nach funktionellen sowie geographischen Richtlinien. Jede der 15 Bezirksverwaltungen in der DDR hatte eine MfS-Aussenstelle (BVfS = Bezirksverwaltung f. Staatssicherheit), zu der wiederum jeweils eine Funk- aufklärungs-Komponente mit der Bezeichnung Abt. III gehörte. Diese Abteilungen III unterstanden zwar gemäß der Papierlage den Aussenstellen, hatten aber auch eine direkte Verbindung zur Zentrale der HA III (s.o.).

Struktur HA III

In der BR Deutschland betrieb das die HA III Aufklärungsstellen in Bonn – in der ständigen Vertretung der DDR – und in Düsseldorf in der DDR-Handelsmission. Manchmal setzte sie auch eine mobile Aufklärungsstelle in Köln ein, wo sich die Zentrale der bundesdeutschen Spionageabwehr, das Bundesamt für Verfassungsschutz befindet, und außerdem soll sie auch von der syrischen Botschaft in Bonn aus operiert haben.

Die HA III beschäftigte sich hauptsächlich mit der Überwachung von Telefon-, Fax- und Fernschreibverbindungen in der BR Deutschland und Westberlin. Wichtigste Ziele waren Richtfunkverbindungen und Auto-(Funk-)Telefone. Die Deutsche Bundespost übertrug damals zwei Drittel aller Telefongespräche über Richtfunkverbindungen.
Fernmeldeverbindungen zwischen West-Berlin und Westdeutschland (
siehe weiter unten) wurden ebenfalls von Aufklärungsstellen in der DDR abgehört. Andere Übertragungsstrecken innerhalb der BR Deutschland konnten nur teilweise, bei guten Wetterbedingungen, abgehört werden, und zwar durch die Erfassung der elektromagnetischen Abstrahlung, die in Richtung DDR "reflektierte" (Seitenkeulen). Die HA III ließ Aufklärungsstellen u.a. auf dem Brocken und auf der Rhön errichten, wo derartige Abstrahlungen aus den Ballungsgebieten Köln-Bonn und Frankfurt/Main der Regierungseinrichtungen, der Bundeswehr, der Nachrichtendienste, der Wirtschaft und der Industrie erfasst werden konnten (siehe Karte). In Spitzenzeiten liefen bis zu 80 % aller Telefongespräche aus diesen Räumen über Richtfunk. In vielen Aufklärungsstellen befanden sich markante Antennenträger auf Gittermasten mit bienenkorbähnlichen Radomen (NATO-Code BEEHIVE).

Es gab aber keine Richtfunkverbindung auf dem Gebiet Westdeutschlands, deren Hauptkeule weniger als 10km von der Grenze zur DDR verlief. Dazu gab es klare Planungsvorgaben des Post- und des Verteidigungsministeriums und diese wurden auch exakt eingehalten. Das galt aber nur für Weitverkehrsstrecken, nicht für Zubringerstecken der Fernsehprogramme zu den Fernsehfüllsendern oder vereinzelten Orts- oder Knotenvermittlungsstellen der DBP und auch nicht für die Zubringer zu den Sendestellen Torfhaus und Clenze (Überhorizont-Verbindung nach West-Berlin)  und Höhbeck bei Gartow im Wendland (Richtfunk-Verbindung nach West-Berlin).
Eine Besonderheit und Ausnahme war die 1986 fertig gestellte und 1987 in Betrieb genommene digitale Richtfunkstrecke, die von Uelzen in Westdeutschland über Fernmelde- (Richtfunk-) Türme in der DDR (Dequede - Rhinow - Perwenitz) nach West-Berlin führte (
mehr dazu hier arrow.gif (948 Byte)link ).

Ein Großteil der südlichen Bundesrepublik wurde durch zwei Aufklärungsstellen in der damaligen Tschechoslowakei (auf dem Cerchov und dem Polednik, s.u.) abgedeckt, eine dritte Stelle, nordwestlich von Bratislava gelegen, deckte Teile Österreichs ab. Der Südwesten der BR Deutschland stellte erfassungstechnisch ein größeres Problem dar, doch war es möglich, bei guten Wetterbedingungen durch eine der beiden grenznah in der Tschechoslowakei gelegenen Aufklärungsstellen auch dort einige der relevanten Verbindungen zu erfassen. Primärziele waren die im Süden und Südwesten der BR Deutschland gelegenen Zentren der westdeutsche Hightech-Elektronik- und Raumfahrtindustrie.

Neben Aufklärung aus ortsfesten Stellen wurden auch mobile Aufklärungsplattformen eingesetzt, mit dem Ziel, Frequenzbereiche zu untersuchen und auszuwerten, deren Erfassbarkeit vom Gebiet der DDR aufgrund ihrer geringen Abstrahlparameter nicht möglich war. Dazu nutzte die HA III ein Flugzeug der NVA-LSK (AN-26M DISKANT), einen Hubschrauber der NVA und ein Schiff der VM (AGI JASMUND) sowie für Funkaufklärung in der BR Deutschland und West-Berlin getarnte LKW (z.B. DEUTRANS) bzw. Diplomatenfahrzeuge. Mobile Richtfunkaufklärung mit speziell ausgerüsteten Fahrzeugen erfolgte auch aus zahlreichen vorerkundeten Stellungen an der ehemaligen innerdeutschen Grenze, z.B. "Seebenauer Holz", westlich Salzwedel gelegen.
Auf einem Foto des BGS ist auf dem Brocken ein Einsatzfahrzeug der HA III zu sehen.

Die Einsätze mit luftgestützten Erfassungsplattformen wurden unter der Deckbezeichnung "RELAIS" geführt und begannen schon 1973. So wurde z.B. im Jahr 1978 die Durchführung einer funkelektronischen und fotooptischen Maßnahme unter der Deckbezeichnung "RELAIS IV"  mit einem Flugzeug AN-2 und einem Hubschrauber befohlen (bestätigt arrow.gif (948 Byte)link durch den damaligen Oberst Horst Männchen).
Anm.: Diese Maßnahme steht nicht im Zusammenhang mit u.a. späteren Einsätzen RELAIS IV.

Die regelmässigen "RELAIS"-Massnahmen ab 1983:

Deckbezeichnung Plattform Aufklärungsziel
RELAIS II (1983-89) Hubschrauber Mil MI-8, siehe auch hier    arrow.gif (948 Byte)link     Westberlin  arrow.gif (948 Byte) (Ortsangaben ohne Gewähr)
(Anm.: parallel zur Funkaufklärung wurde auch Fotoaufklärung <PHOTINT> betrieben)
RELAIS III (1984-89) AN-26 M DISKANT BR Deutschland -- Eindringtiefen arrow.gif (948 Byte) (Ortsangaben ohne Gewähr)
RELAIS IV (1987-89) Hubschrauber Mil MI-8T arrow.gif (948 Byte)link  BR Deutschland
RELAIS V RELAIS V war eine Massnahme der Funkabwehr in Zusammenarbeit mit der WGT und wird hier nicht weiter erläutert.

Mehr zu den Maßnahmen RELAIS in dem sehr zu empfehlenden Buch "Geheime Aufklärungsflüge >RELAIS< "  von Volker Liebscher.


Übersicht wichtiger Standorte zur Aufklärung von Fermeldeverbindungen:
die ehemaligen Posten  als placemarks für google earth herunterladen: arrow.gif (948 Byte) (Ortsangaben ohne Gewähr)

Deckname

Standort

Bemerkungen

Links

Abhörposten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, meist grenz- bzw. küstennah

ALBATROS

Diedrichshagener Berg

129 m, südl. Kühlungsborn

Info  Bild-1  Bild-2  Bild-3  Bild-4

BLITZ

Ellenbogen

814 m, Eisenacher Haus, südwestl. Kaltennordheim

link-1  link-2  link-3  Bild-1 Bild-2  Bild-3  

ECHO

Auersberg

1018 m, südöstl. Eibenstock

Bild-1  Bild-2  Bild-3  Bild-4 Info 

FALKE

Roggendorf

93 m, Siedlung Hellberg

Bild-1  Bild-2 

HORIZONT 2

Bornberg

507 m, nördl. Kirchohmfeld

 

HORIZONT 3

Roter Berg 407 m, nordöstl. Reinholterode Bild-1  Info 
KIEFER Fichtelberg 1214 m (Südhang), westl. Oberwiesenthal Text  Bild-1  Karte-1   

KOMET

Kandelstein

Höhe 608 m, südl. Gutenfürst Bild-1   Bild-2  Bild-3   Info 

KONDOR

Heldrastein

504 m, westl. Schnellmannshausen

link  Bild-1 Bild-2 Bild-3 Info  

KORMORAN

Barendorf

nordöstl, Seestrasse Info 

KRISTALL

Schleifenberg

666 m, nördl. Sonneberg

Bild-1   Bild-2  link Info 

LUPINE

Falschheitsberg

106 m, westl. Holzhausen

link  Foto   Text 1

RADAR

Wetzstein

792 m, nordwestl. Brennersgrün

Info  Bild-1

RENNSTEIG

Sieglitzberg

732,9 m, südwestl. Lobenstein

Info Bild-1  Bild-2  Bild-3  link

SAALE

Rodacherbrunn

am südl. Ortseingang

Bild-1   Bild-2 
STERN Berlin-Müggelheim Müggelberge (ehemalige Sternwarte) Bild-1  Bild-2  Info

URIAN

Brocken

1142 m

link  

WESPE

Bienstädter Warte

372 m, nordwestl. Bienstädt

Bild-1  Bild-2  Bild-3  Info 
KOPERNIKUS

Biesenthal

Ortsausgang, Richtung Lanke

link 

weitere Stützpunkte gab es u.a. in Westdeutschland in Köln, Bonn und Düsseldorf (Botschaft und HPA der UdSSR, AV und HPA der DDR), um West-Berlin herum, zwischen West-Berlin und Westdeutschland sowie in Belgien, Österreich und der ehemaligen CSSR (heute Tschechien (CZ) und Slowakei (SK))
QUELLE 1

Rhinow

südöstl.(Falkenberg, 96m)

link 

QUELLE 2 Berlin, Am Wuhleufer 325 Zentralobjekt Wuhlheide (ZOW)  
QUELLE 3 Netzow südl. (Scharfe Berge, Höhe 69) link 
QUELLE 4 Dretzen nordwestl. (im Wald) link 
HAVEL 1 Nieder Neuendorf (Henningsdorf) ca. 1,5 km südl. (im Wald) Info  
HAVEL 2 Potsdam, Rudolf-Breitscheid-Straße 184    
SPREE 1 Berlin, Leipziger Straße 5–7     
SPREE 3 Großbeeren, Teltower Straße 25       
SPREE 4 Groß Glienicke, Seeburger Chaussee Objekt Grenzregiment 34      
STEUERUNG 1 Bonn, Godesberger Allee 18 Ständige Vertretung der DDR link
STEUERUNG 1a Bonn, Waldstrasse 42 Botschaft der UdSSR   
STEUERUNG 1b Köln, Friedrich-Engels-Str. 7 Handelspolitische Abteilung (HPA) der UdSSR  
STEUERUNG 1c Düsseldorf Handelspolitische Abteilung (HPA) der DDR   
STEUERUNG 2 Wien (AT), Frimbergergasse Botschaft der DDR link
STEUERUNG 3 Brüssel (BE),  Boulevard St. Michel 80 und Av. Edmond Mesens 7/7a Botschaft der DDR     

RUBIN

Cerchov/CZ

1039 m (Objekt der CVA; SIGINT)

link

TOPAS

Polednik/CZ

1315 m (Objekt der CVA; SIGINT)

link

SAPHIR 2

Devinska Nova Ves /SK

Objekt der CVA Grenztruppen Info 

SAPHIR 3

Wien (AT), Penzinger Str. 11-13 Botschaft der CSSR  

Verwendete Technik:

Die durch die HA III für die Erfassung, Analyse und Aufzeichnung/Dokumentation verwendete Technik stammte nicht nur aus russischer, ungarischer oder DDR-Produktion, sondern es wurde auch Technik aus westlichen Ländern wie der Bundesrepublik Deutschland (z.B. von den Firmen ROHDE & SCHWARZ, TELEFUNKEN, UHER, KATHREIN), den USA (z.B. WATKINS & JOHNSON, UNIDEN) oder Japan verwendet.

arrow.gif (948 Byte)Liste Technik (Auszug)


Zur Aufklärungsarbeit der HA III siehe auch:

"Anatomie der Staatssicherheit -- Geschichte, Struktur und Methoden — MfS-Handbuch —" arrow.gif (948 Byte)  link

Intelligence in Recent Public Literature (Ben Fischer zu: "West-Arbeit des MfS: Das Zusammenspiel von «Auflärung» und «Abwehr» von Hubertus Knabe"


"One of the Biggest Ears in the World": East German SIGINT Operations - by Ben Fischer  
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Für die vielen Hinweise und Fotos ein besonderer Dank an die Herren W. Kunze, V. Liebscher und E. Ritter sowie Herrn Kramer von der Bundesgrenzschutz-Kameradschaft Goslar.


Hinweis:
z.B. die "rote 34" (Mi-8 MT, Werk-Nr. 93350, 239. OGvVP, Oranienburg) oder die "rote 49"  (Mi-8 MT, Werk-Nr. 93344, 239. OGvVP, Oranienburg)
Quelle:  Lutz Freundt, Band 3, Seite 1 und Band 4, Seite 36; Band 2, Seite 45 


1 mit freundl. Genehmigung von Holger Benecke