DIE LUFTGESTÜTZTE

FERNMELDE- UND ELEKTRONISCHE AUFKLÄRUNG DER LUFTWAFFE BIS 2002


Hunting PEMBROKE C.Mk.54   (Typfoto)

Kaum bekannt ist, dass die Luftwaffe auch schon ab 1959 eine luftgestützte Erfassungskomponente erprobte. Von der Flugvermessungsstaffel (1. Staffel) der Fernmelde- Lehr- und Versuchsabteilung 612 (FmL/VsuAbt 612) in Lechfeld, ab 23.03.1961 die 4. Staffel/ Fernmelde- Lehr- und Versuchsregiment 61 (4./FmLVsuRgt 61), kam der Typ Hunting PEMBROKE C.Mk.54 (Kennungsbereich XA+101 bis XA+110) u.a. auch im Rahmen einer luftgestützten Funkaufklärung zum Einsatz.


Pembroke C.Mk.54  XA-103,
rechts abgestellt auf der Platte

in der Pembroke installierte Funkaufklärungstechnik

So wurden ab November 1959 erste Flüge vom Fliegerhorst Wunstorf aus unternommen, um entlang der damaligen innerdeutschen Grenze die russischen Streitkräfte in der DDR insbesondere während der Manöver zu beobachten. Für die Erfassung waren Funkempfänger ESM-180 der Firma Rohde & Schwarz eingerüstet. Das Personal kam vom Vorgänger des Fernmelderegimentes 71 (FmRgt 71), dem Fernmeldeführer "B" Nord (FmFhr "B" Nord) in Osnabrück. Dort erfolgte auch die Auswertung der erfassten Sprechverkehre.

Ab Sommer bis Ende 1962 wurden auch Einsätze zwischen Bebra und Passau - entlang der damaligen innerdeutschen und der tschechischen Grenze und innerhalb der damaligen ADIZ (Air Defense Identification Zone) - geflogen, um deutsche, russische und tschechische Sprechfunkverkehre zu erfassen. Die Flughöhen lagen zwischen 2.000 und 3.500 m und die Einsatzdauer bei maximal drei Stunden.
Das Erfassungspersonal COMINT  für diese Einsätze kam vom Fernmeldesektor S (FmSkt S) aus Feuchtwangen und stieg auf dem Heeresfliegerhorst Niederstetten zu. Die Auswertung der erfassten Sprechverkehre wurde nach den Einsätzen wiederum in Feuchtwangen durchgeführt.

mögliche Flugrouten der Pembroke:  für google earth herunterladen (Ortsangaben ohne Gewähr): arrow.gif (948 Byte)


Douglas C-47D

Die Luftwaffe erprobte in den 60er Jahren eine weitere luftgestützte Erfassungskomponente. Ab Februar 1969 kamen bei der Flugvermessungsstaffel des Fernmelde- Lehr- und Versuchsregimentes 61 (4./FmLVsuRgt 61) in Lechfeld insgesamt vier Maschinen des Typs Douglas C-47D unter der Deckbezeichnung "SCHWARZE DROSSEL" zum Einsatz. Zwei Flugzeuge (Kennungen XA+111, XA+114) waren für Elektronische Aufklärung (ELINT) und zwei (Kennungen XA+119, XA+120) für Fernmeldeaufklärung (COMINT) ausgerüstet. Sie flogen u.a. auch von Wunstorf aus entlang der damaligen innerdeutschen Grenze bzw. in der ADIZ (Air Defense Indentification Zone).

Die COMINT-Maschinen waren an einer abgewinkelten Stabantenne auf der Rumpfoberseite zu erkennen und hatten für die Flugfunk-Erfassung Empfänger der Firma Rohde & Schwarz (ESM-Serie: ESM-180 oder ESM-300, unten rechte Innenaufnahme) oder auch Empfänger vom Typ Telefunken E149 UK/1 an Bord (siehe unten, Innenansicht - linkes Foto).

Die ELINT-Maschinen erkannte man an den drei kleinen markanten Antennenverkleidungen (Radome) an der hinteren Rumpfunterseite sowie an dem an der Rumpfnase installierten 400 Hz Generator zur Stromversorgung der ELINT-Anlage, über deren Ausstattung keine Erkenntnisse vorliegen. Die XA+111 und XA+114 sollen 1966 in Großbritannien mit den ELINT-Anlagen ausgerüstet und nach Abnahmeflügen im April 1967 nach Lagerlechfeld zurückgeflogen sein.

Alle vier Flugzeuge wurden später für andere Zwecke entsprechend zurück- bzw. umgerüstet; die XA+111 und XA+114 für ILS-, die XA+119 und XA+120 für TACAN-Flugvermessung.
Die 14+01, ex. XA+111, ist im Deutschen Museum in Oberschleißheim ausgestellt.
 

 14+04  XA-119 COMINT XA-120 COMINT Innenansicht einer COMINT-MAschine  Innenansicht einer COMINT-Maschine  
14+04, ex. XA+119 COMINT XA+120 COMINT Innenansichten einer COMINT- Maschine  
XA-114 ELINT XA-114 ELINT-Antennen  
XA+114 ELINT ELINT-Antennen der XA+114    

BREGUET BR.1150 ATLANTIC 'PEACE PEEK'    BR1150 ATLANTIC SIGINT

Der Luftwaffe standen für die luftgestützte FmEloAufkl langfristig nur die BREGUET BR.1150 ATLANTIC 'PEACE PEEK' der Bundesmarine zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um eine Spezialversion (Messflugzeug = MF) des Marineflugzeuges für U-Boot-Jagd / SAR / Seeüberwachungsdienste (MPA = (Maritime Patrol Aircraft). Ab 1966 beschaffte die Marine insgesamt 20 Maschinen, von denen fünf von der amerikanischen Firma E-Systems in Greenville/ Texas zum Zweck der Fernmelde- und Elektronischen Aufklärung (Programmname 'PEACE PEEK') umgerüstet wurden. Sie kommen seit November 1971 zum Einsatz und unterscheiden sich äußerlich durch ein zusätzliches schwarzes Radom unter dem Rumpf sowie zusätzlichen Antennen an den Tragflächen. Sie waren wie die MPA beim Marinefliegergeschwader 3 "Graf Zeppelin" in Nordholz stationiert.

Zur Zeit des "Kalten Krieges" war eine der Hauptaufgaben der 'PEACE PEEK' - Maschinen das Überwachen der Streitkräfte des Warschauer Paktes. Dazu wurden Patrouillenflüge überwiegend über der östlichen Ostsee durchgeführt. Ab Juli 1995 wurden auch Einsätze in der Adria/über dem Balkan geflogen. Sie lieferten Beiträge zur militärischen Lage im ehemaligen Jugoslawien. Das Einsatzpersonal der Luftwaffe an Bord der 'PEACE PEEK' stellte der Fernmeldebereich 70 (FmBer 70) in Trier, der ab dem 01.07.2002 als Fernmeldebereich 92 dem Kommando Strategische Aufklärung (Streitkräftebasis) unterstellt war. Die bisher aus Marine- und Luftwaffenpersonal bestehenden und in der Streitkräftebasis zusammengefassten Bordeinsatzteams Luft (BET Luft) der 'PEACE PEEK' sind beim EloKaBtl 912 in Nienburg/Weser stationiert und sollten -  nach der Außerdienststellung der letzten 'PEACE PEEK' -  auf den Betrieb der Bodenstationen des  EURO HAWKTM umgeschult werden.

 

Das Einsatzpersonal vom FmBer 70 stieg damals in der Regel entweder auf dem deutschen Fliegerhorst Büchel oder auf den amerikanischen Basen Spangdahlem  bzw. Bitburg zu. Nach Ende eines Einsatzes und schlechtem Wetter in der Eifel konnte es allerdings schon mal passieren, daß das Einsatzpersonal von Nordholz auch per Bahn zurück nach Trier fahren musste ....    

Breguet Atlantic SIGINT 61+03, 61+06 und 61+19 in den 1980er Jahren bei der Landung auf der Bitburg AB


Für das SIGINT-Einsatzpersonal an Bord standen in der Regel sieben Arbeitsplätze (AP) zur Verfügung:

  • drei AP COMINT (Flugfunk)

  • ein AP COMINT (Mehrkanal / Richtfunk)

  • zwei AP ELINT

  • ein AP ELB (Einsatzleiter Bord für die Steuerung der Erfassung)

Abgedeckt werden konnte mit den AP ein Frequenzbereich von 30 MHz bis 18 GHz.


Arbeitsplätze an Bord

 Beispiel einer Flugroute über der Ostsee: 
für google earth herunterladen
(Ortsangaben ohne Gewähr):
arrow.gif (948 Byte)


Flugroute Balkan 1999

Der Verbleib der fünf SIGINT-Maschinen:

Die Aufgaben der BR.1150 SIGINT sollten ursprünglich ab 2011 von einem UAV (HALE) - dem EURO HAWKTM - übernommen werden. Das System wurde letztendlich aber nicht eingeführt.


Fotos der 61+03 vom AIR DAY in Nordholz am 20.06.2010:


vor dem letzten Start

 

die Crewmitglieder haben sich verewigt

 

das große Radom unter dem Rumpf

 

hier haben sich weitere verewigt

 

"Kunst am Flieger"

 

der einmalige Überflug im Verband
mit drei Sea Lynx Mk 88, einer P3-CUP
und einer DO-228

 

 

 

 

 

 

 

Jost Schreiber hat aus einem Bausatz der Fa. REVELL ein tolles Modell (Maßstab 1:72 ) der  Breguet Atlantic SIGINT 61+03 zusammengebaut.

Dazu hat er in Eigenproduktion die Anbauten (Radom, Antennen) sowie die Decals (Markierungen) hergestellt. Sogar die Bugfahrwerksklappe mit den Aufklebern und Unterschriften (siehe oben im Original) hat er nachgebildet.
Mehr Fotos und Infos dazu hier arrow.gif (948 Byte)
link


61+06 als "Gate Guard" vor der Hauptwache des Marinefliegerhorstes Nordholz


LAPAS

In dem "Positionspapier FmEloAufklLw" wurde 1985 durch den Führungsstab Luftwaffe (FüL) festgelegt, das bisherige Konzept der FmEloAufkl zu überarbeiten. Es bestand aus den bodengebundenen Komponenten (EASys Boden) und der gemeinsam mit der Marine betriebenen fliegenden Komponente Breguet BR.1150 ATLANTIC 'PEACE PEEK' . Der damalige Inspekteur der Luftwaffe, General Eberhard Eimler, hatte entschieden, ein nationales luftgestütztes Aufklärungssystem zu beschaffen. Das von der US-amerikanischen Elektronikfirma E-Systems und der dem deutschen Flugzeughersteller Grob entwickelte und in Teilen bereits beschaffte Aufklärungssystem LAPAS (US-Programmbezeichnung SENIOR GUARDIAN) wurde jedoch aus politischen Gründen nicht eingeführt. Das Projekt wurde im Frühjahr 1993 endgültig gestoppt.

die beiden LAPAS Prototypen
D-500 (vorn der "Pre-Protytyp", dahinter der Prototyp)

"Hubschraubergestütztes Erfassungssystem" (HES)

1993 übernahm die Luftwaffe vom BND ein "Hubschraubergestütztes Erfassungssystem" (HES), mit dem Hubschrauber Bell UH-1D als Trägerplattform (Bw-Kennungen 70+01 und  70+02). Diese beiden Hubschrauber gehörten bis 1975 zum Bestand der Hubschrauberführerschule der Luftwaffe (HFSLw) in Faßberg, anschließend zum Hubschraubertransportgeschwader 64 (HTG 64) in Ahlhorn, wurden per Vertrag an den BND "ausgeliehen", aber immer von Piloten der Luftwaffe geflogen.
Mit der an Bord befindlichen Sonderausrüstung sowie den außen angebrachten Antennen war das HES in der Lage, Radarsysteme zu erfassen und zu vermessen. Mit der Antenne unter dem Bug konnte mit einem Empfängersystem, das aus sechs Tuner bestand, Suchempfang im Bereich 0,5 bis 40 GHz, mit den an beiden Seiten angebrachten Antennen und einem doppelt vorhandenem Empfängersystem Messempfang im Bereich 0,5 bis 18 GHz betrieben werden. Für die Datenauswertung Boden stand eine spezielle Auswertekomponente zur Verfügung.

Luftfahrzeugtechnisch wurde der Hubschrauber zuletzt vom Lufttransportgeschwader 61 (LTG 61)  in Landsberg betreut, für die Ausrüstung war aber nun der Fernmeldesektor 61 in Lechfeld zuständig.
Am 25.03.1994 war der Hubschrauber 70+02 im Rahmen eines Tages der offenen Tür in der Kaserne des FmSkt 61 in Lechfeld-Nord zu sehen (siehe Fotos).
Das HES wurde nach Erprobung und Tauglichkeitsprüfung aber nicht weiterverwendet. Im Sommer 1994 wurde das System endgültig ausgebaut und der Hubschrauber zurückgerüstet.

Der BND flog bis Anfang der 90er Jahre vom Flugplatz Braunschweig-Waggum aus regelmäßig Einsätze entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze in größeren Höhen. Bei seinen grenznahen Einsätzen wurde der Hubschrauber oft donnerstags im "Dannenberger Zipfel" (Kreis Lüchow-Dannenberg) gesichtet.

Das System war auch dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR, Hauptabteilung III (MfS HA III), auch nicht unbekannt arrow.gif (948 Byte)link (Seite 68).

70+02
70+02 beim Tag der offenen Tür
in Untermeitingen

 

70+02
70+02 beim
Tag der offenen Tür in Untermeitingen

 

HES 70+01
70+01 in Landsberg/Lech

 


70+01 in Landsberg/Lech

 


70+02 in Braunschweig

 


70+01 im Flug

 

 


70+02 - Frontantennenradom

70+02 - Frontantennenradom

70+02 - linkes Antennenradom

70+02 - rechtes Antennenradom

Arbeitsplatz
 

 

 


Ausbau der Technik

leere Technikgestelle

die ausgebaute Technik
HES-Auswertestation
Datenauswertestation

während der Erprobung durch die Luftwaffe (70+02)
 

      

RF-4E PHANTOM II "PEACE TROUT"

Das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) ließ 1972 eine RF-4E PHANTOM II (35+01) im Rahmen des Programms "PEACE TROUT" mit einem ELINT-System ausrüsten. Dieses System basierte auf dem Radarwarnempfänger AN/APR-39 der US-amerikanischen Firma HRB Singer, modifiziert durch die Firma E-Systems (heute L3-Communications) in Greenville,Tx/USA. Die Erprobung (1973-1976?) führte die damalige Erprobungsstelle 61 (ESt 61) in Manching durch (heute Wehrtechnische Dienststelle 61 (WTD-61)). Das System wurde auch mit der 35+83 erprobt.

Das Empfangssystem wurde in der Rumpfnase anstelle der Kameras untergebracht. Äußerlich erkennbar war die PEACE TROUT-Maschine an dem markanten Radom für die Empfangsantenne.
Weitere Informationen über den Einsatz des Systems sind nicht bekannt.


die 35+83 der WTD-61


Rumpfnase einer 'normalen' RF-4E
zum Vergleich (Foto: wiki)

   

Möglicherweise kamen für SIGINT-Einsätze auch Flugzeuge vom Typ English Electric CANBERRA B Mk.2 zum Einsatz.


Allgemeines zu Aufklärungsflugzeugen siehe hier arrow.gif (948 Byte)link