Der Brocken (1141 m)
Ein wichtiger Horchposten befand sich im Harz auf dem Brocken, dem höchsten Berg im norddeutschen Raum. Zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges übergaben US-amerikanische Truppen den Brocken an die Sowjetarmee. Von 1955 bis 1994 betrieb die 82. Funktechnische (Aufklärungs-) Brigade (82. FuTBr) aus Torgau vom Brocken aus Aufklärung Richtung Westen. Diese war zwar der Westgruppe der Truppen (WGT, vormals GSTD = Gruppe sowjetischer Truppen in Deutschland) administrativ angegliedert, aber dem sowjetischen Militärgeheimdienst GRU unterstellt. mehr
Auch die Hauptabteilung III des MfS hatte ständig Aufklärungsgerät auf dem Brocken installiert. Damit abgehört wurden u.a. der Funkverkehr von Behörden wie Polizei oder BGS und den Militärs in Deutschland und Europa. Auch Richtfunkstrecken und Autotelefonverbindungen wurden überwacht.
Die Funkaufklärer der NVA dagegen waren nur zeitweise auf dem Brocken präsent. In den 1970er Jahren wurde taktische Funkaufklärung (mobil) betrieben und Ende der 1980er Jahre während großer NATO-Manöver (z.B. CRESTED EAGLE) Richtfunkaufklärung. Eine ab 1992 geplante ständige Richtfunkaufklärung von einer Nebenkuppe des Brockens aus, dem Königsberg, konnte nicht mehr realisiert werden. Gemäß dem "Perspektivplan für die Funktechnische Aufklärung der NVA und GT bis 1995" aus dem Jahr 1988 sollte dazu die Funkaufklärungszentrale West (FuAZ West) in den Raum Schierke verlegt und in ein den Grenztruppen anschließendes Objekt stationiert werden.
Installationen des MfS (1) |
1973, der neue Fernsehturm (links) ist im Bau |
das große Radom im Bau (Pfeil) |
die "Stasi-Moschee" im Bau; am Brockenbahnhof weiteres Bauaterial (1) |
Die Zentrale der MfS-Aufklärungsstelle auf dem Brocken, Deckbezeichnung "URIAN", war
anfangs in einer Etage im alten Fernsehsender "quasi als Mitnutzer" untergebracht. Als Antennenträger
wurden auch die drei unteren Plattformen des 1973-1976 neu errichteten 123 m
hohen Fernsehturms genutzt. Von 1983 bis 1986 wurde eigens für das MfS ein neuer
zweistöckiger Zweckbau errichtet mit einer
markanten frequenzdurchlässigen Kunststoffkuppel (Radom) obenauf. Durch das
markante Aussehen wurde das Gebäude später auch als
"Stasi-Moschee"
bezeichnet. Unter dem Radom (Durchmesser 12 m) waren u.a.
Yagi-Antennen und
Parabolspiegel installiert.
Bereits vor 1984 wurden erst ein einzelnes, dann
zwei weitere
'kleinere' Radome (Durchmesser 5,60 m) und nach 1985 noch ein
einzelnes,
'großes' Radom (Durchmesser 12 m) errichtet. Während mit den
Antennen unter der Kuppel des Gebäudes überwiegend Suchempfang betrieben
wurde, dienten die Antennen unter den vier anderen Radomen der (Dauer-)
Überwachung. An Personal waren für die Aufklärung auf dem Brocken 21 Mann im
Dreier-Schichtbetrieb eingesetzt.
Der Brocken diente dem MfS (HVA) auch als Funkempfangsstelle für die im Westen eingesetzten Agenten (Kundschafter). Zu diesem Zweck war 1971 das durch den Operativ-Technischen Sektor (OTS) des MfS entwickelte System "Horizont" installiert worden, bestehend aus dem speziellen Antennenträger (Typ 2061) sowie dem Empfangssystem (2060) LINK-1 LINK-2.
Mit Auflösung des MfS/AfNV war auch
deren
Aufklärungstätigkeit vom Brocken aus beendet. Obwohl vom ZFD/NVA übernommen
und als Richtfunkaussenstelle-1 (RFuASt 1) des FuAZ Sat geführt, erfolgte eine
weitere militärische Nutzung nicht mehr. Die Aufklärungsanlagen wurden durch die Bundeswehr
demontiert und nach Dessau abtransportiert.
In der ehemaligen "Stasi-Moschee", deren
GFK-Kuppel 2004 saniert wurde, befindet sich heute das Brockenmuseum
(Info), das anfangs in dem
"großen" 12-Meter-Radom untergebracht war. Eines der drei "kleinen" Radome dient heute als
Gartenhäuschen in einem Dorf
bei Wernigerode.
Das "große" Radom (12 m) fand im Jahr 2000 bei der EXPO in Hannover in der 'Jam City' eine Verwendung und wurde dazu rosa lackiert. Anschließend lagerte es jahrelang in Lehrte. 2019 wurde es nach Benneckestein im Harz (unweit vom Brocken) zum Ostdeutschen Fahrzeug- und Technikmuseum transportiert und wieder aufgebaut LINK. |
Nach 1990 wurde das Plateau des Brockengipfels einer umfangreichen Sanierung bzw. Renaturierung unterzogen. Die Anlagen der Russen wurden vollständig entfernt, der "Pfeffi-Turm" (ein für Richtfunkverbindungen der SED genutztes Gebäude) 1998 abgerissen, das Gebäude des alten Fernsehturms neu zum "Brockenhotel" umgestaltet. Auf seiner Spitze wurde ein Radom (Durchmesser 9,385 m) aufgesetzt, unter dem ein Luftraumüberwachungsradar der Deutschen Flugsicherung (DFS) installiert ist. Als Ersatz für das nach der Wende abgerissene ehemalige Sendegebäude ist der einzige 'echte' Neubau nach 1990 das Betriebsgebäude der Telekom für die Installation ihrer Sendeanlagen.
der Brocken 1986 |
der Brocken im Februar 1989 (von Torfhaus aus) |
der Brocken im August 2002 mit der zum Museum umgebauten "Stasi-Moschee" |
Noch in 2003 waren Ansichtskarten vom Brockengipfel erhältlich, die ihn im Bebauungszustand Anfang der 1990er Jahre zeigen:
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der Brocken mit den Sendern sowie den Abhöranlagen des MfS und der Russen (links) |
der Brocken nach Abbau der Mauer (Ende 1991) |
Mehr Fotos vom Brocken aus der Zeit vor 1991: Bundesgrenzschutzkameradschaft Goslar e.V.
Siehe auch: GESCHICHTSSPUREN: Abhörstation Brocken (Harz)
Buch-Tip: das neue Brocken-Buch von Hansjörg Hörseljau (das erste, ebenso tolle Buch "Der Brocken - Der belagerte Berg" ist leider schon vergriffen)
Mehr Infos zum Brocken: wiki Brockenklima
(1) Für die Verwendung der zwei Brockenfotos ein besonderer Dank an die der Bundesgrenzschutz-Kameradschaft Goslar.